Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe

48. Kunstpreis 2025

„Perspektive – Retrospektive“: unter diesem Motto feiert der Kunstpreis der Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen.

643 Künstlerinnen und Künstler haben eine Arbeit in digitaler Form eingereicht. 88 Werke wurden von der Kunstpreis-Jury anhand der digitalen Abbildungen für die Ausstellung ausgewählt.

Die Wahl der drei Preisträgerbilder erfolgte in einer zweiten Jurysitzung vor den Originalen:

Der mit 5.000 Euro dotierte 1. Preis wurde Danil Becker aus Bonn zuerkannt. Den 2. Preis in Höhe von 3.000 Euro erhielt Carsten Springer aus Reutlingen. Der 3. Preis in Höhe von 2.000 Euro ging an Viv Moench aus Coburg.

Preisträger Kunstpreis 2025 der Sparkasse Karlsruhe
Preisträgerbilder: (v.l.n.r) 3. Preis: Viv Moench, ifyourereadingthisitsallsaid (Trompe l`oeil, Öl auf Leinen); 2. Preis: Carsten Springer, Interieur mit Telefon (Acryl auf Leinwand); 1. Preis: Danil Becker, ANYA schminkt Modellbau US Navy Hubschrauber Seahawk SH-60B (Öl auf Leinwand)

Die Verleihung der Preise erfolgte durch den stv. Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Sparkasse Karlsruhe, Oberbürgermeister Johannes Arnold aus Ettlingen, im Rahmen der Vernissage.

Über 500 kunstinteressierte Gäste und ausstellende Künstlerinnen und Künstler konnte der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Karlsruhe, Direktor Michael Huber, zur Eröffnung der Ausstellung begrüßen. Er griff in seiner Rede das Thema „Perspektive – Retrospektive“ ebenfalls auf und warf zum einen den Blick zurück auf die Gründung des Kunstpreises im Jahr 1975 und verriet zum anderen bereits das Thema für 2026. Es lautet: Radikale Verunsicherung.

Kreiert wurde das neue Thema durch die Kunstpreis-Jury. Deren Vorsitzende, Professorin Pia Müller-Tamm, hielt auch in diesem Jahr die Laudatio und Einführung in die Ausstellung.

Gruppenbild Preisträger Sparkassen Kunstpreis 2025
Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Karlsruhe Michael Huber (2.v.l.), Laudatorin Prof. Dr. Pia Müller-Tamm, ehem. Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe (ganz links) und Oberbürgermeister Johannes Arnold aus Ettlingen (ganz rechts) gratulieren der Preisträgerin Viv Moench sowie den Preisträgern Danil Becker und Carsten Springer (v.l.n.r.)

Die Ausstellung in einem Video

Die Ausstellung im Video (Youtube)
Ein Klick auf das obige Vorschaubild bringt Sie zur digitalen Ausstellung auf Youtube (externer Inhalt).

Laudatio und Einführung in die Ausstellung von Frau Prof. Dr. Pia Müller-Tamm:

Perspektive – Retrospektive. 50 Jahre Kunstpreis der Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe

Der Kunstpreis der Sparkassenstiftung zählt seit vielen Jahren zu den fest etablierten Kunstpreisen mit internationaler Strahlkraft. Viele der Teilnehmer sind regelmäßig dabei. Das mag auch an der Zugkraft der jährlich wechselnden Themen liegen. Der Blick zurück zeigt ein immens breites Spektrum: Es gab Wettbewerbe zu den klassischen Genres der bildenden Kunst – zum Selbstporträt, zu Maler und Modell, zu Landschaft und Stillleben. Beliebt waren aber auch Themen, die Offenheit signalisieren und zur Reflexion über genuin künstlerische Sachverhalte anregen, wie dies z.B. bei den Wettbewerben Ohne Maske, Fenster und Vorhang oder Zwischen-Räume der Fall war.

Das Thema zum 50. Jubiläum des Kunstpreises ist in diesem Sinne bewusst vieldeutig, denn es spricht keinen bestimmten Motivkreis an, sondern umfasst potentiell alle Themen, die in den vergangenen 50 Jahren gestellt wurden. Perspektive – Retrospektive – dieses Thema gestattet den Blick zurück auf die Geschichte des Kunstpreises der Sparkassenstiftung, aber eigentlich geht es weit darüber hinaus: Es geht um eine der Grundfragen der Kunst – nämlich um die Positionierung der künstlerischen Arbeit auf einer Zeitachse und dabei um die Verkehrung der Blickrichtung von Zukunft und Vergangenheit. Perspektive – Retrospektive: Was bedeutet dieser Blick zurück für die Kunst?

Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts schuf der Maler Paul Gauguin eines seiner späten Programmbilder unter dem Titel Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir? Seine Zeitgenossen beantworteten diese Fragen mit einem linear-utopisch angelegten Entwurf einer selbstbewussten Modernität. Und diese zukunftsoptimistische Perspektive und der daraus abgeleitete Innovationsdruck trieben die Künstler bis weit ins 20. Jahrhundert an. Die Geschichte der modernen Kunst wurde als lineare Fortschrittsgeschichte gedacht, als ein sich beschleunigendes Fortschreiten vom Problem zur Lösung, als eine Abfolge von Novitäten. Doch diese selbstgewisse Haltung ist der Kunst schon länger abhandengekommen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden wir Zeugen eines Paradigmenwechsels. Die Stichworte lauten: Einspruch gegen die Fortschrittsgeschichte der Moderne, Kritik von emphatischen Neuheitsansprüchen in der Kunst, postmoderne Re-Vision der Kunstgeschichte. Die Wiederholung, das Abgeleitete und Transformierte treten an die Stelle der Erfindung. Verfahren wie Zitat, Parodie und Paraphase gewinnen an Bedeutung. Mit dem Ergebnis, dass heute kein ernstzunehmender Künstler, keine gegenwartstaugliche Kunsttheorie mehr die Antwort auf Gauguins Frage nach dem Wohin zu geben vermag. Das Gesamtbild der Kunst ist unübersichtlich geworden, und so auch die Auswahl der Werke in dieser Ausstellung.

Nicht immer ist bei den Künstlern und Künstlerinnen ein prononciert postmodernes Bewusstsein vorauszusetzen. Oft greifen sie auf Klischees aus dem kollektiven Bildgedächtnis zurück und unterziehen sie einem künstlerischen Härtetest. Gefahren lauern für den retrospektiven Blick wie für jede Kunst der Wiederholung in Autoritätsgläubigkeit und Epigonentum.

Interessant wird es dann, wenn im Prozess der Aneignung von Bildern der Vergangenheit durch heutige Künstler ein kreativer Mehrwert entsteht, wenn der retrospektive Blick gebrochen ist und die Werke auf die eine oder andere Weise zu erkennen geben, dass die Erfahrung der Gegenwart in sie eingedrungen ist. Schließlich ist zu vermuten, dass die beiden Fragen Paul Gauguins – die Fragen nach dem Woher und dem Wohin – unterschwellig miteinander zusammenhängen, und wenn dem so ist, dann wäre Gauguins mittlere Frage – die Frage Was sind wir? – die eigentliche Herausforderung für die Kunst.

Schauen wir nun auf die Werke dieser Ausstellung und fragen nach den Unterschieden zwischen dem Referenzwerk und dem, was ein heutiger Künstler, eine Künstlerin daraus ableitet. Fragen wir nach den medialen Differenzen zwischen den Ursprungsbild und seiner heutigen Aneignung, um zu ermitteln, wie kreativ, wie subtil, wie originell, wie raffiniert Werke der älteren Kunst heute reaktiviert werden.

Wie ein Programmbild zum diesjährigen Thema mutet Ulrich Sekingers Beitragan. Der Künstler veranstaltet hier gleichsam seine eigene Sparkassen-Retrospektive, denn er ist – man glaubt es kaum – seit dem ersten Wettbewerb von 1975 mit dabei. Jetzt platziert er sein damals eingereichtes Werk Blick in den Schlossgarten an zentraler Stelle seines Werkes Rückschau – zusammen mit den vertrauten Gegenständen aus dem Inventar des Künstlerateliers: dem Malerkoffer, den Malutensilien, der Gliederpuppe, den geometrischen Grundkörpern, darunter die spiegelnde Glaskugel. Doch im Zentrum von Sekingers Kunstkosmos steht zweifellos er selbst, der Künstler, der sich hier insgesamt viermal ins Bild gesetzt hat.

„Warum nicht bei den Besten lernen?“ fragt die Künstlerin Heike Negenborn. Ihr Lehrmeister ist der Niederländer Jacob van Ruisdael, von dem sie die Anlage ihrer großformatigen Kompositlandschaft mit dem tiefliegenden Horizont unter dem Titel Weiter immer weiter übernimmt. Die Landschaftsmotive und der kolossale Wolkenhimmel sind jedoch heutige Aufnahmen, die sie – von Perspektivlinien durchzogen – im digital-analogen Verfahren bearbeitet und entfärbt, also auf Schwarz-Weiß gestellt hat.

Die venezianische Barockmalerei des frühen 18. Jahrhunderts setzte den Impuls für Lucia Friedrichs Gemälde Lo stato di mezzo / Der Zwischenzustand. Das Werk des Malers Gregorio Lazzarini Orpheus und die Bacchantinnen von 1710 handelt von der Tötung des feinsinnigen Orpheus durch die zügellosen Anhängerinnen des Gottes Bacchus. Lucia Friedrich hat die zentrale Gruppe des Historienbildes aus dem erzählerischen Zusammenhang isoliert und malerisch gekonnt in Schwingung versetzt.

Ein Gegenbild zur Dramatik der weiblichen Gewalt ist das stille Mädchen mit Perlenkette von Radmila Cesarska Grinberg. Die Darstellung folgt einem alten Porträttypus der italienischen Kunstgeschichte, dem sog. ritratto di spalla, bei dem der Kopf der Dargestellten über die Schulter nach hinten gewendet ist. Das Bild basiert jedoch auf einer aktuellen Porträtaufnahme aus einem Fotostudio, die die Künstlerin akribisch in Malerei übersetzt hat. Die monochrome bräunliche Tönung des Gemäldes imitiert die Ästhetik von alten Fotografien aus dem 19. Jahrhundert – entstanden ist so ein interessantes Hybrid aus Fotografie, fotorealistischer Malerei und historischer Ästhetik, das die trügerische Illusion von Ganzheitlichkeit erzeugt.

Ein schamloser Plünderer im Repertoire der Kunstgeschichte ist Theodor Speckert. In seinem Gemälde Mondrians Geheimnisse setzt er bei jenem abstrakten Maler der klassischen Moderne an, der wie kein anderer für den Transfer von esoterischer Hochkunst in Alltags- und Gebrauchsdesign steht, vom delikaten ausbalancierten Tafelbild zum gemusterten Wachstuch auf dem Küchentisch. Genau diesen Prozess des Wechsels von high zu low führt uns Speckerts ironisches Werk in fünf Beispielen vor Augen.

Frank Hügle kommt von der Visuellen Kommunikation; er weiß um die Wirkung der einfachen schlagkräftigen Bilder. In seinem Werk in der Ausstellung zitiert er den amerikanischen Maler Grant Wood. Dessen Hauptwerk American Gothic von 1930 ist ein ikonisches Bild des amerikanischen Verismus: Ein abgehärmtes Bauernpaar steht frontal und steif vor der Kulisse eines neugotischen Hauses. Frank Hügle hat American Gothic bei identischen Bildmaßen mit digitalen Mitteln in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts übersetzt. Er verwendet dabei das Verfahren der Mise en abyme, der Einbettung des Vorbilds (von Grant Wood) in sein ähnliches, aber nicht identisches Nachbild.

Realistische Kunst“ bezeichnet Britta Schwarting als ihr Metier, aber das gekonnte Ineinander von akribisch gemalten Pelzen und Mänteln kommt ohne einen Träger aus. Dies lässt an die Verfahren der Surrealisten denken, an die Ersetzung des menschlichen Körpers durch Surrogate und die Schöpfung von verdinglichten Kunstkörpern. In diesem Kontext ist auch Judith Sturms eindrucksvolles Werk Mit der Zeit gehen anzusiedeln, und doch geht die Künstlerin darüber hinaus. Denn ihr Werk lebt von der Ambivalenz zwischen dem Fragment – der kopflosen weiblichen Figur und dem von ihrem Körper getrennten Kleid einer Anziehpuppe – auf der einen Seite und dem Inkarnat auf der anderen Seite, der verletzlichen Haut, die von roten Pusteln und Adern durchsetzt ist.

Das surrealistische Verfahren der Verflüssigung der menschlichen Physis findet einen Widerhall in dem Gemälde Happy Birthday to mevon Jeehye Song. Der liquide, amorphe Körper formt sich in Assimilation an seine Umgebung, aus der er nahtlos hervorgeht. Höchst interessante Körperkonstruktionen sehen wir in dem Bild hug / Umarmung von Wilhelm Frederking. In einer unkonventionellen Mischtechnik aus Brokatstoff und Ölmalerei zeigt es ineinander verkeilte, chimärenhafte Wesen in einer nobilitierenden Rundnische – Wesen, die organisch anmuten und doch aus einem irritierend-fremden Alphabet der Formen zusammengesetzt sind.

Auriane Bail bezieht sichin ihrem Werk Ohne Titel offenbar auf den Gegenspieler der Surrealisten, den französischen Maler Balthus und dessen Bildstrategien. Das halbwüchsige Mädchen mit einem Kartenspiel in den Händen, einem von Balthus häufig verwendeten Requisit, der scheu-offensive Blick zum Betrachter in Korrespondenz mit den gespreizten Beinen – in diesem fixierten Moment der sich kreuzenden Blicke nähert sich der Betrachter dem Voyeur.

Gestisch-abstrakte Malerei mit linearen Einschreibungen, die in den 50er Jahren zu einer globalen Sprache der Kunst avancierte, wird von Petra Melber in ihrem Gemälde Rote Reflektionen: Eine abstrakte Retrospektive wiederbelebt. Nach dem Prinzip Collage funktioniert Tamara Reichs Zeichnung Per Anhalter zur Pool-Party, eine Reminiszenz an die amerikanische Werbeästhetik der 60er Jahre, an eine Zeit, in der Frauenkörper an Swimmingpools und Weltraumshuttles noch ein Versprechen auf Zukunft bedeuteten.

Ein eye catcher in der Ausstellung ist zweifellos Robert Reinholds Gemälde Yes. It’s perfect. Das Werk lebt von den Kontrasten: von den realistisch dargestellten Herren im Habitus der Büromenschen und dem monochromen Bild-im-Bild, von Schwarz-Weiß und Farbe, von Perspektivraum und Fläche — ein ironischer Kommentar über moderne Kunst, vor allem über das kennerschaftliche Räsonieren über Kunst. Weniger ironisch als grotesk ist das Amalgam aus Cranach, Luther, Magritte und Maurizio Cattelan, das die Künstlerin Julie Boehm in ihrem Gemälde Ceci n’est pas Cranach in Szene setzt.

Unsere Tour d’horizon endet wie immer mit den Preisträgern. Den dritten Preis erhält Viv Moench. Ihr Werk zeigt die Rückseite eines Keilrahmens mit weißer Leinwand. Wann immer ein gemalter Rahmen in einem Gemälde auftaucht, liegt die Vermutung nahe, dass in dem Werk Fragen von Realität und Abbild verhandelt werden und sich der Künstler oder die Künstlerin selbstreflexiv zur Tätigkeit des Bildermachens äußert. Die Geschichte der europäischen Tafelmalerei liefert hier reiches Anschauungsmaterial – von den verblüffenden Trompe-l’oeil-Gemälden des Niederländers Cornelis Gijsbrecht bis zu den gemalten Bilddiskursen des Belgiers René Magritte.

Kunstpreis 2025 Viv Moench
3. Preis: Viv Moench, ifyourereadingthisitsallsaid (Trompe l`oeil, Öl auf Leinen)

Wenn eine Künstlerin – wie hier Viv Moench – ein solches gemaltes Rahmenwerk mit der Aufforderung versieht, den Malakt Chatgpt, also der Künstlichen Intelligenz, zu überlassen, dann verhandelt sie die Frage der Autorschaft und wendet sich ironisch gegen den alten Mythos vom Kunstwerk als Produkt individuellen Schöpfertums. Kenner der jüngeren Kunstgeschichte werden hier an Sigmar Polkes berühmtes und gleichfalls ironisches Gemälde von 1969 denken: Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarzmalen. Und wenn die Künstlerin dann ihrem Werk den Titel *ifyourereadingthisitsallsaid* mitgibt, also *wenn du das liest, ist alles gesagt*, dann dementiert das Werk selbst sowohl seinen Titel als auch die im Bild gemalte schriftliche Botschaft. Viv Moench hat in ihrem Werk das weite Feld zwischen augentäuschender Malerei und Konzeptkunst unter den Bedingungen von KI neu vermessen und dabei ein Werk von überzeugender sinnlicher Präsenz geschaffen.

Carsten Springer erhält den zweiten Preis für Interieur mit Telefon und damit für die Wiederaneignung einer der alten Gattungen der bildenden Kunst. Der Kunsthistoriker Wolfgang Kemp definierte das Interieur als die Eingrenzung eines Ausschnitts von Welt, um das Ausgegrenzte in gattungsförmig anverwandelter Form wieder einzulassen. Das Interieur, der im Bild umgrenzte Innenraum, verweist also immer auch auf das Außerhalb. Wie zeigt sich diese Dialektik von Innen und Außen bei Carsten Springer?

Kunstpreis 2025 Carsten Springer
2. Preis: Carsten Springer, Interieur mit Telefon (Acryl auf Leinwand)

Offensichtlich existiert hier keine sichtbare Verbindung zum Außerhalb; Telefon und Radio sind die einzigen Drähte zur Welt draußen. Die meisten Gegenstände im Raum sind aus rechteckigen Flächen zusammengesetzt; in Verbindung mit den Oberflächenmustern ergibt sich der Eindruck eines additiven Nebeneinanders. Es ist offensichtlich kein eingewohnter Ort, der als Behausung für Menschen dient. Vom Künstler erfahren wir, dass es sich um den Blick in die Ecke einer Puppenstube handelt. Puppen sind – von der Kinderpuppe bis zum erotischen Ersatzobjekt – schon immer unerschöpfliche Anreger für die menschliche Fantasie. Die Puppenstube ist in diesem Sinne kein seelenloser Ort, sondern eine emotional besetzte Parallelwelt. Carsten Springer hat das Interieur im Format extrem vergrößert, die Farbschichten lasierend in sanften Pastelltönen aufgetragen und so einen ästhetisch strukturierten Raum geschaffen. Und so wird aus dem Interieur mit Telefon doch ein künstlerischer Raum der Erinnerung, eine Retrospektive auf die eigene Kindheit, ein Ort der Innerlichkeit.

Danil Becker hat die Jury mit seinem Gemälde ANYA schminkt Modellbau US Navy Hubschrauber Seahawk SH-60B überzeugt, mit einem Gemälde, dessen Referenzwerk der Künstler offen benennt: Es ist das großformatige Leinwandbild des Schweizer Künstlers Franz Gertsch Marina schminkt Luciano, das sich im Kölner Museum Ludwig befindet. Dabei handelt es sich um ein Hauptwerk fotorealistischer Malerei der 70er Jahre, dessen Protagonisten aus der Luzerner Künstler- und Transvestitenszene stammen. Danil Becker hat einige Anleihen bei Gertsch gemacht: so die Nahsicht in ein Badezimmer, die Fensternische, die Wandkacheln; gleichzeitig hat er den Maßstab deutlich reduziert und die Szene mit diversen erzählerischen Details angereichert. Aus Marina bei Franz Gertsch wurde Anya; aus der Schminkaktion bei Gertsch die Arbeit mit dem Pinsel. Entscheidend ist jedoch das Fehlen der zweiten Bildfigur, an deren Stelle ist ein Modellhubschrauber getreten.

Kunstpreis 2025 Danil Becker
1. Preis: Danil Becker, ANYA schminkt Modellbau US Navy Hubschrauber Seahawk SH-60B (Öl auf Leinwand)

Danil Becker legt Wert darauf, dass der Bezug zu Gertsch‘ Gemälde assoziativ und offen bleibt. Sein Bild handelt von Pinselarbeit, also vom Malen, seinem ureigenen Metier. Ihm bereite es ästhetisches Vergnügen, das Schöne im Destruktiven sichtbar zu machen, und so frönt er hier der Lust an der Farbe und einer sinnlich affizierenden Malerei ebenso wie der Freude am Trashigen, Komischen, Schrägen und Geschmacklosen. Entstanden ist ein schillerndes Artefakt, ein Schaustück für die Fantasie des Betrachters, der die gemischten, die ambivalenten Gefühle bevorzugt.

Ich gratuliere den Preisträgern und wünsche weiterhin viel Erfolg!

Pia Müller-Tamm

Jugendstiftung der Sparkasse Karlsruhe

Kulturstiftung

Datum:

Karlsruhe